Aufruf an die Klimagerechtigkeitsbewegung

Für Klimagerechtigkeit, Gleichberechtigung, Arbeitsplätze und Gesundheit:

Alle rein in die Gewerkschaft!

Mit dem Projekt Strike for the Future versucht der Klimastreik, den Kampf gegen die
Klimakrise mit der Gewerkschaftsbewegung und generell mit der lohnabhängigen
Bevölkerung zu verbinden. Während sich auf einer systemischen Ebene die
verschieden Krisen (ökologische, ökonomische, gesundheitliche und soziale)
zusammenführen lassen, birgt es auf einer praktischen Ebene Schwierigkeiten, die
Kämpfe dagegen zu verbinden. Die momentan beispiellose Situation der Krise lässt
die Stimmen gegen das patriarchale und kapitalistische System hörbarer erklingen.
Nun geht es darum, Situationen zu kreieren, welche die erstrebte und notwendige
Verbindung dieser Stimmen möglich macht.

In der ersten Phase des Strike for the Future (2. Halbjahr 2019) wandte sich der
Klimastreik an verschiedene Akteur_innen, darunter auch Gewerkschaften, um
deren Unterstützung für einen eintägigen Streik für Klimagerechtigkeit am 15. Mai
2020 zu gewinnen. Schnell positionierte sich die Gewerkschaft des Service public
(VPOD) zugunsten des Strike for Futures, indem sie erklärte, dass "[die Herstellung]
eines Kräftegleichgewichts zugunsten von Klima und sozialer Gerechtigkeit den Sieg
über eine neoliberale Politik bedeutet, die zum Nutzen der Großbanken und
multinationalen Konzerne, die in der Schweiz allgegenwärtig sind, angewandt wird.
Dazu muss sich die Bewegung auf den Arbeitsplatz ausdehnen".[1] Dann war es an
der Gewerkschaft Unia, den Aktionstag und Streik am 15. Mai 2020 zu unterstützen,
indem sie bekräftigte, "dass schon heute die ärmsten Bevölkerungen in den
Ländern des Südens den Preis für diese Situation zahlen. Doch der Klimanotstand
macht nicht an den Grenzen halt. Es ist daher an der Zeit, das Undenkbare nicht nur
zu denken, sondern es auch laut und deutlich auszusprechen. In der Tat stehen
unsere Wirtschaft, unsere Zivilisation und sogar das Überleben der menschlichen
Spezies auf dem Spiel".[2] Schliesslich hat sich auch der Schweizerische
Gewerkschaftsbund (SGB) für den Strike For Future ausgesprochen und darauf
hingewiesen, dass "zum Schutz der Gesundheit der Arbeitenden dringend Massnahmen ergriffen werden müssen, die mit den Gewerkschaften entwickelt
werden müssen. Die SGB Verbände setzen sich für rasche Verbesserungen in den
Branchen ein".[3] Trotz der zaghaften, aber ermutigenden Unterstützung durch die
Gewerkschaftszentralen wurde jedoch bald klar, dass die Fähigkeit der
Gewerkschaften, eine solche Streikbewegung zu organisieren, sehr begrenzt war.
Jenseits von Absichtserklärungen erfordert der Aufbau einer solchen Bewegung
eine kolossale Menge an Arbeit. Die Gründung der Lokalgruppen, insbesondere am
Arbeitsplatz, ist ein wesentlicher Aspekt der Massenmobilisierung: Einerseits
ermöglicht es den Arbeitenden, sich bezüglich Themen, welche sie direkt betreffen
zu organisieren; andererseits erleichtern sie die Verbindung mit dem Rest der
sozialen Bewegungen. Allerdings entstehen solche Lokalgruppen in der Regel nicht
durch Zauberei. Es braucht Menschen, die sie lancieren, aber es braucht auch
Menschen, die sie aktiv halten. Die Einbindung der Arbeitenden in solche Strukturen
ist keine Selbstverständlichkeit und nur durch langfristige Arbeit lassen sich
konkrete und nachhaltige Fortschritte erzielen.


Dass eine Gewerkschaft öffentlich ihre Unterstützung für den Strike for the Future
erklärt, reicht also nicht aus, um Massen zu mobilisieren: Es ist immer noch
notwendig, die Ziele des Strike for Future zu konkretisieren und dafür zu sorgen,
dass die Mittel (personell, finanziell, etc.) investiert werden, um sie zu erreichen.
Ohne die Pandemie hätte es am 15. Mai 2020 wahrscheinlich schöne
Demonstrationen gegeben, aber die Präsenz der Arbeiter_innenbewegung wäre
marginal geblieben. Obwohl wichtige und wertvolle Arbeit bereits begonnen hat, ist
sie auf bestimmte Kantone und spezifische Sektoren beschränkt und hatte
begrenzte Auswirkungen.


Es stellt sich aber auch die Frage, ob wir überhaupt so viel Energie in die
Zusammenarbeit mit Gewerkschaften investieren wollen, ist die Arbeit mit ihnen
nicht eigentlich zweitrangig? Gewerkschaften sind nicht die Lösung und wir müssen
mit gewissen Illusionen aufräumen. Sie sind weder revolutionäre Organe noch
simple Stützen des Status Quo. Die Gewerkschaften selbst sind Orte des Kampfes,
in denen sich plurale und manchmal widersprüchliche Meinungen gegenüberstehen.
Die Aufforderung des Klimastreiks an die Gewerkschaften, sich aktiv am Strike for
Future zu beteiligen und deren Mitglieder rund um das Klima und soziale
Gerechtigkeit zu organisieren, war damals sehr relevant - und ist es auch heute
noch. Doch nochmals: Die offiziell von den Gewerkschaften verabschiedeten Beschlüsse bleiben unzureichend. Währenddessen wurden von Aktivist_innen und
Gewerkschaftsmitgliedern jedoch auch interne Bestrebungen unternommen, die
versuchen, den revolutionären und dynamischen dynamischen Charakter der
Gewerkschaften zu stärken.


Der Strike For Future und die sozialen Bewegungen sollten nicht die Agenda der
Gewerkschaftsführung kopieren, sondern ihre eigene durchsetzen. Doch letztlich
geht es darum so schnell, wie es die klima- und sozialpolitische Notlage erfordert,
die Entstehung einer kämpferischen und demokratischen Gewerkschaftsbewegung
zu fördern, die in der Lage ist, für die unmittelbare Verbesserung der Arbeits- und
Lebensbedingungen zu kämpfen. Der Einbezug eines ökosozialen Programmes, das
die antirassistischen, ökologischen, feministischen und sozialen Kämpfe verbindet,
ist unumgänglich. Auch wenn der Klimagerechtigkeitsbewegung im Moment eine
ernsthafte Reflexion über deren Verhältnis zu den Gewerkschaften fehlt, könnte der
Strike for the Future der erste Schritt in einem solchen Prozess sein.
Die Autor_innen dieses Textes sind der Meinung, dass die Aktivist_innen der
Klimagerechtigkeitsbewegung und im weiteren Sinne alle Menschen, die sich am
Strike For Future beteiligen, einer Gewerkschaft beitreten und dann Aktionen auch
innerhalb der Gewerkschaften selbst koordinieren sollten. Hier sind einige Gründe
dafür:

  • Selbst wenn sie von der Notwendigkeit des Strike For Future noch so

überzeugt sind; Gewerkschaftsfunktionär_innen können in einer Phase der
Mobilisierung, die am stärksten betroffenen Menschen nicht ersetzen. Auch
wenn jene Debatten leiten, Vorschläge machen oder für eine Sensibilisierung
argumentieren können, so sind es doch die Arbeitenden selbst, welche über
die politische und strategische Linie der Gewerkschaft entscheiden, also
auch über deren Aktionsformen und Prioritäten.

  • Ohne uns beim Aufbau der Lokalgruppen am Arbeitsplatz zu ersetzen,

können die Gewerkschaften eine wichtige Unterstützung bieten.
Insbesondere bei der Kenntnis von Arbeitsrecht und beim Verfassen von
Forderungen, welche die Arbeitsbedingungen mit ökologischen und sozialen
Themen verbinden. Dies ist ein entscheidender Schritt in Richtung eines
Streiks.

  • Initiativen von Aktivist_innen zu Klima und sozialer Gerechtigkeit können

mehr Gewicht bekommen und zum aktiven Engagement der Gewerkschaften
in diese Richtung beitragen.

  • An Treffen mit Arbeitenden einer bestimmten Branche haben wir die

Möglichkeit in Kontakt zu treten und unsere Ideen/Visionen direkt zu
vermitteln, ohne den vielfältigen institutionellen und medialen Filtern
unterworfen zu sein, die uns oft zum Verhängnis werden.

  • Student_innen können sich auch gewerkschaftlich organisieren. Je nach

Gewerkschaft gehören sie der gleichen Sektion an, wie die Professor_innen
oder sind einer eigenen Gruppe zugeordnet. Darüber hinaus wird der
Gewerkschaftsbeitrag für Personen in Ausbildung ermäßigt.

  • Anstatt das Rad neu zu zu erfinden, sollten wir einen Teil unserer Arbeit

diesen schon bestehenden Massenorganisationen der Arbeitenden widmen
und uns an ihrer Demokratisierung und Radikalisierung beteiligen.

  • Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass Gewerkschaften Strukturen

bilden können, in denen Menschen nicht aufgrund ihrer Nationalität(en)
ausgeschlossen werden. Natürlich sind auch diese Strukturen jedoch nicht
frei von altersbedingter, klassistischer, rassistischer oder sexistischer
Diskriminierung. In einer Zeit, in der die Grenzen der Schweizer Demokratie
immer offensichtlicher werden, muss die Arbeit am Aufbau einer
gesamtgesellschaftlichen Gegenmacht prioritär werden.


Je kämpferischer, demokratischer und massiver die Gewerkschaften sind, desto
leichter wird es für uns sein, unsere Ziele zu erreichen. Deshalb schlagen wir vor,
dass alle, die sich am Strike For Future beteiligen, folgende Schritte unternehmen:

  • Informiere dich über die Rolle der Gewerkschaften, wie sie funktionieren,

warum und wie wir uns in ihnen engagieren, wie wir sie mobilisieren können,
etc.[4]

  • Trete zur Vernetzung der nationalen Strike for Future Gruppe und vor allem

deiner regionalen Strike For Future Gruppe bei!

  • Trete einer Gewerkschaft bei UND:

- Ruf bei den_die für dich zuständigen Gewerkschaftsfunktionär_in an,
um herauszufinden, was die Gewerkschaft auf regionaler Ebene zum
Thema Klimagerechtigkeit unternimmt und was sie für den Strike for
Future am 21. Mai 2021 konkret planen.

- Wenn an deinem Arbeitsplatz keine Gewerkschaftsgruppe existiert,
frage deine Gewerkschaft nach Hilfe und gründe mit ihr und
Mitarbeitenden zusammen eine Lokalgruppe und versuche, eine
Dynamik für den Strike for the Future aufzubauen - ein kollektiver
Organisierungsprozess kann dabei sehr hilfreich sein.

- Falls dies noch nicht geschehen ist, biete an, eine (interne oder offene)
Gewerkschaftsveranstaltung zum Thema Klimagerechtigkeit und dem
Strike For Future zu organisieren.

  • Informiere dich gewerkschaftsübergreifend über die Aktivitäten der

Aktivist_innen in den verschiedenen Sektoren, um ihre spezifischen Themen
besser zu verstehen und dich solidarisch an ihren kollektiven Mobilisierungen
beteiligen zu können.

  • Im Sinne von “Kämpfe verbinden” ermutigen wir alle Menschen in ihren

jeweiligen Organisationen, sich an ihrem Arbeitsplatz aktiv zu engagieren,
indem sie diesem Aufruf folgen.


Fussnoten:

[1] Nationaler Beschluss des VPOD-Kongress, der am 8. Und 9. November 2019 stattgefunden hat.
https://vpod.ch/news/2019/11/vpod-kongress-nimmt-resolution-zur-unterstuetzung-des-klimastreiks-an/

[2] Beschluss der Unia-Delegiertenversammlung vom 07. Dezember 2019. https://www.unia.ch/fileadmin/user_upload/2019-12-7-Punkt_2.4_Resolution_Klimastreik_d.pdf

[3] Resolution der Delegiertenversammlung des SGB vom 15. November 2019 in Bern. https://drive.google.com/file/d/1Mkrd4nVGTzv9Xb-UtGPFg48DkS6X4QtH/view

[4] Mehr dazu in dieser Step-by-Step Anleitung:
https://drive.google.com/file/d/1ZagyPaN6gxObiPyVzlfK0mLJc_fD8xuU/view?usp=sharing


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